11’674 Stufen bis zum Gipfel

    Der Niesen oberhalb des Thunersees, ist einer der bekanntesten Voralpengipfel des Berner Oberlandes mit einer prachtvollen Aussicht und beliebtes Ziel für Ausflügler, Bergwanderer sowie Trailrunner – und für Treppenläufer.

    (Bild: pixabay) Der Niesen verspricht eine grossartige Aussicht über den Thunersee.

    Seit über hundert Jahren führt eine steile Standseilbahn von Mülenen mit zwei Sektionen über die Schwandegg bis kurz unterhalb des Gipfels des Niesens. Dreissig Minuten dauert die Fahrt. Nicht einmal doppelt so lange brauchte im Jahre 2011 der schnellste Treppenläufer: Emmanuel Vaudan aus Evionnaz schaffte die ganze Strecke entlang dem Bahngeleise in unglaublichen 55 Minuten und 58 Sekunden. Den Rekord bei den Frauen hält Agnes Zellweger aus Bern (2005 in 1 Stunde 7 Minuten und 7 Sekunden).

    Der verrückteste Berglauf?
    Im Jahre 2014, im Aufstieg zum Niesen, werden wir zufällig Zeugen des vielleicht verrücktesten Berglaufes der Welt. Im Laufschritt nehmen die Läuferinnen und Läufer Stufe um Stufe. Mein Entschluss ist rasch gefasst: Ab nächstem Jahr mache ich auch mit. Mit Glück bekomme ich einen der begehrten Startplätze, und seit 2015 bin ich jedes Jahr dabei: 11‘674 Stufen, 1669 m Höhendifferenz, 3,4 km Distanz, maximale Steigung in der 2. Sektion 68 Prozent. Das erste Mal am 6. Juni 2015 bin ich ziemlich nervös: Werde ich es überhaupt schaffen? Wer für die erste Sektion mit immerhin 977 Höhenmetern mehr als eine Stunde braucht, wird aus dem Rennen genommen. Alle 20 Sekunden werden je drei Läuferinnen oder Läufer auf die Strecke geschickt. Überholt wird auf der engen Treppe wenig, jeder hat seinen eigenen Rhythmus. In gut 55 Minuten bin ich auf der Schwandegg, und nach 1 Stunde 50 Minuten erreiche ich ziemlich erschöpft, aber überglücklich und stolz das Ziel. Seit dem letzten Jahr nehme ich es etwas gemütlicher: Neu kann man auch als Zweierteam starten; mein älterer Sohn übernimmt jeweils den ersten, und ich den zweiten, etwas kürzeren Teil. Dieses Jahr ist der Niesen-Treppenlauf wie so manch anderer Grossanlass allerdings dem Coronavirus zum Opfer gefallen.

    Trainingsberg par excellence
    Der Niesen ist von Thun oder Bern aus einfach und schnell erreichbar, sei es mit dem Auto oder mit der Bahn. Der ideale Trainingsberg also, um Höhenmeter zu machen, ein halber Tag genügt. Der absolute Klassiker ist der ausgeschilderte Aufstieg von Mülenen über die Rölleren meistens durch dichten Wald zur Schwandegg und dann direkt zum Gipfel, normale Wanderzeit fünf Stunden, Bergläufer brauchen weniger als zwei Stunden. Weniger ambitionierte Berggänger nehmen bis Schwandegg die Bahn und machen nur den zweiten, abwechslungsreicheren Teil zu Fuss.

    Leider habe ich erst im Jahre 2016 eine andere, sehr schöne Route entdeckt: Jene auf der Westseite des Niesens, von Wimmis über das Vordere Ahorni bis zum Gipfel, etwas länger und anstrengender als der Normalweg, und viel weniger begangen.

    Touristischer Hotspot
    Dank der Standseilbahn geht es für die weniger Sportlichen aber auch gemütlicher: Beliebt ist der Sonntags-Brunch im modernen Glaspavillon-Restaurant oder bei schönem Wetter auf der Sonnenterrasse. In den letzten Jahren etablierte sich der Niesen unter dem Motto «Klein aber fein» als Kulturabend-Berg mit interessanten Angeboten. Viele in- und ausländische Touristen begnügen sich mit dem kurzen Spaziergang von der Bergstation bis zum Gipfel, um die grossartige Aussicht zu geniessen, um sich dann im Restaurant zu verpflegen.

    www.niesen.ch

    Ruedi Horber


    Buchtipp:
    «Der Niesen und seine Bahn», eine Hommage an die Erbauer der Niesenbahn, Bruno Petroni, Verlag Schläfli & Maurer Interlaken, 1. Auflage 2010, 333 Seiten, mit vielen Fotos und Illustrationen.

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