Identifikationsverlust und «No Shows» verhindern

    Der Dauerkartenverkauf beim FCB erlebt seit 2018 einen Einbruch. Zuletzt zählte man in der Saison 21 / 22 noch rund 13’000 Dauerkartenbesitzer/innen. Und noch schlimmer war die hohe «No Show»-Rate. Kurz vor der Pandemie betrug sie besorgniserregende 30 Prozent. Dieser Trend ist zum Glück zurück gegangen. Die Bearbeitung dieser und einiger anderer Herausforderungen mit Blick auf die nächste Saison warten auf den FCB in diesem Sommer.

    (Bilder: JoW) Eines der wichtigsten Tasks des FC Basel in diesen Monaten abseits des sportlichen Geschäfts: Keinen Liebesentzug der Fans zulassen.

    Während sich die Fans des FC Basel im Sommer 2022 fragen, ob der rotblaue Kader im sportlichen Bereich die Qualität besitzt, 2023 um den Meistertitel mitzuspielen und ob es einen «Alex Frei»-Effekt mit einem sportlich spürbaren Mentalitätsschub gibt, müssen sich die FCB-Verantwortlichen auch Gedanken zu ganz anderen Herausforderungen stellen. Diese sind nicht nur sportlicher Natur, obwohl der sportliche Erfolg einige der Baustellen kaschieren könnte, die beim FC Basel auszumachen wären. Wir haben deren drei herausgesucht:

    Herausforderung 1:
    Die Identifikation bewahren
    Ja, es wurde viel darüber debattiert, dass nunmehr wenige «Basler Identifikationsfiguren» im Kader übrig bleiben. Trotz des einst grossen Versprechens (damals noch unter Präsident Bernhard Burgener und Sportchef Marco Streller), in naher Zukunft mehr auf eigene Talente zu setzen. Derzeit aber klammert man sich an die FCB-Veteranen Taulant Xhaka (ein «Basler») und Fabian Frei (ein «Wahlbasler») und applaudiert als FCB-Anhänger stolz, wenn Liam Chipperfield, der Sohn von FCB-Legende Scott, im Fanionteam zum Zuge kommt. Nach dem Rücktritt von Identifikationsfigur Valentin Stocker (auch er ein «Wahlbasler») keimte die leise Hoffnung, man möge doch vielleicht einen der vom Club einst «verschmähten Exilbasler» wie Cedric Itten oder Pascal Schürpf gewissermassen repatriieren, wie einst Alex Frei.

    Die Fans müssen sich aber damit abfinden, dass der FC Basel nunmehr eine Söldnertruppe aufgestellt hat und die «Marke FCB» und die Liebe der Bevölkerung zum Club sowie die Fankultur den identifikatorischen Charakter weiterhin schmieden muss. Immerhin: Im Verwaltungsrat und Vereinsvorstand befinden sich einige «echte Baselbieterinnen und Baselbieter oder Baslerinnen und Basler» und mit Cheftrainer Alex Frei sowie Marco Streller und künftig Valentin Stocker starke Identifikationsfiguren, die in diversen Funktionen tätig sein werden. Wird damit die befürchtete «Entwurzelung» abgewendet? Im ersten Moment sicher. Sollte sich der sportliche Erfolg aber nicht einstellen, kommt dieses Thema sicher wieder aufs Trapez.

    Herausforderung 2:
    Das Dauerkartenmanagement
    Nach Jahren ohne Meistertitel waren auch letzte Saison regelmässig Heimspiele mit relativ überschaubarem Unterhaltungswert bei den FC Basel Anhängern zuweilen ein Ärgernis. Ebenso konnte eine latent spürbare Identifikationskrise bei einem Teil der hiesigen Fussball-Interessierten nicht geleugnet werden. Solche Begleiterscheinungen führen zu so genannten «No Shows» und gehören zu den Hauptgründen, warum der FC Basel eine besondere Herausforderung vor der Brust hat: Es kamen zu viele Personen mit Dauerkarte jeweils nicht bei jedem Heimspiel ins Stadion. Die «No Shows» gelten in der Regel als Alarmzeichen für jeden Club und wird in der Regel von den Clubs nicht gerne proaktiv kommuniziert. Die Situation hatte sich zwischenzeitlich beruhigt (vor Pandemieausbruch 2020 war die Quote bei beunruhigenden 30 Prozent «No Shows»). Und dennoch darf man das vor der Pandemie aufgetretene Problem nicht klein reden oder vergessen. Denn dieses war eines, welches auf eine Art Identifikationskrise fusste.

    FCB-Stadtfest 2017: Das waren noch Zeiten, als der FCB Meistertitel an Meistertitel reihte und man sich keine Sorgen machen musste bezüglich Identifikation und der Entwicklung des Dauerkartenabsatzes.

    Die Vorgeschichte: Die Ticketeinnahmen waren die letzten Jahre rückläufig. Speziell im Vergleich zum letzten Meisterjahr. Von 28,5 Millionen auf 26,74 Millionen Franken sind sie gesunken. Seit 2014 gingen die Zuschauerzahlen leicht, aber stetig zurück. Ebenso verkaufte der FCB in der Tendenz etwas weniger Jahreskarten. Man stand vor einigen Jahren noch bei 21’157. Vor zwei Jahren erfolgte ein Einbruch, bei dem erstmals seit 2007 (19’965 Jahreskarten) die 20’000er-Marke unterschritten wurde. Heuer steht man bisher bei 13’000. Ganz anders sah es die letzten Jahre beim grossen Rivalen, dem BSC Young Boys aus. Dieser hatte vor einem Jahr seinen Saisonkartenabsatz um satte 7000 Abonnenten gesteigert. Die Gründe für die Saisonkarten-Entwicklung beim FCB sind vielseitig: Einerseits sprangen viele so genannte «Mode Fans» ab, weil die Spiele und die Spannung im Kampf um die Meisterschaft nicht mehr so packend sind. Zudem war, wie schon erwähnt, ein latent vorhandenes Identifikationsproblem nicht weg zu leugnen. Die Absenz der letzten Jahre von der Champions League-Bühne und einmal sogar eine komplette Absenz von den UEFA-Wettbewerben – was zuvor 17 Jahre nicht mehr passierte – hatte Spuren hinterlassen. Ausserdem: Die Anspruchsgruppen des FCB sind heterogener als je zuvor. Nun werden identifikationsbildende Massnahmen und ein «Retention Marketing» gefragt sein.

    Herausforderung 3:
    Der Druck, sich europäisch zu qualifizieren
    Der FC Basel wurde Zweiter der Meisterschaft 2021 / 22 in der Credit Suisse Super League. Somit wird er in der 2. Qualifikationsrunde zur UEFA Europa Conference League 2022/23 antreten und drei Runden überstehen müssen, um in die Gruppenphase und somit an die finanziell interessanten Startgelder der UEFA zu gelangen. Wie bereits 2021, wird auch dieses Jahr das Erreichen der Gruppenphase inklusive einer Qualifikation zur K.O-Phase für den Club enorm wichtig. Sportlich, aber auch finanziell. Eine Nicht-Teilnahme an einem Europäischen Clubwettbewerb wäre nicht nur für die Fussballfans in der Region schlimm und ungewohnt. Auch für die Wertschöpfung vieler Hoteliers, Detailhändler und Betriebe sowie auch für Basel Tourismus und für das Standortmarketing (Image der Stadt, Bekanntheitsgrad und so weiter) wäre eine Teilnahme an einem Europäischen Wettbewerb wichtig. Sabine Horvath, Leiterin Aussenbeziehungen und Standortmarketing und Christoph Bosshardt, Head of Marketing & Incoming Services von Basel Tourismus sagten schon anlässlich eines früheren Interviews an dieser Stelle, dass der FCB sich mit den Erfolgen in der Champions und Europa League in den letzten zehn Jahren international kontinuierlich einen Namen gemacht und dadurch auch der Stadt Basel zu einer grösseren Bekanntheit verholfen. «Insbesondere die mediale Aufmerksamkeit, welche Champions League weltweit erfährt, hat den Namen, beziehungsweise die Marke Basel in die Welt hinaus getragen», führte Christoph Bosshardt aus.

    Besonders spannend würde es jedoch für die Wertschöpfung in Basel insgesamt, wenn prominente Gegner mit grosser Fanschar nach Basel anreisen und dies zudem weltweit viel Aufmerksamkeit erzeuge. Denn in Bezug auf die Wertschöpfung insgesamt, worin auch die Logiernächte, die Umsätze bei den Detailhändlern der unmittelbaren Region und die Publicity für die Stadt und Region im Allgemeinen einbezogen werden, hänge eben vieles von der Strahlkraft und der Popularität der gegnerischen Mannschaften ab, sagen Horvath und Bosshardt. «Englische Teams mit ihrem grossen Anhang und der guten Erreichbarkeit generieren zusätzlich ungefähr 2000 und mehr Logiernächte in Basel, egal in welchem UEFA-Club-Wettbewerb», betonte Christoph Bossardt.

    JoW


    Das Phänomen «No Shows»

    Das Phänomen der «No Shows» wurde schon vielfach untersucht. Auch in der Bundesliga, die man hierzulande traditionell besonders genau verfolgt, weil so viele Schweizer zu den Topspielern gehören. Der Sportökonome Dominik Schreyer (WHU in Düsseldorf): Die Stadien wurden Anfang des Jahrtausends mehr als Eventlocations konzipiert. Einerseits waren es Vorgaben der Uefa und Fifa, andererseits wollen Stadionbetreiber eine Mehrfachnutzung etablieren. Die Stehplatzblöcke wurden kleiner, das Fassungsvermögen ebenso. Die Folge: Stadionbesucher/innen konnten sich nicht immer sicher sein, an der Tageskasse noch ein Ticket zu bekommen. Die Dauerkarte wurde eine Art Versicherung und es etablierte sich eine Mentalität die so beschrieben werden kann: «Ich kann jedes Spiel sehen, muss es aber nicht». Das seien die heutigen «No-Shows», bestätigt Dominik Schreyer in seinen Publikationen. Früher gaben zudem viele ihre Karte im Bekanntenkreis weiter. Heute ermöglichen die Vereine den unkomplizierten Austausch über von ihnen eingerichtete elektronische Börsen. Freie Sitze machen sich nicht gut im Fernsehbild. Sogar bei ausgebuchten Clubs kämen pro Heimspiel kurzfristig Hunderte Eintrittskarten in den freien Verkauf (Quelle: Merkur.de und diverse andere). Natürlich spielen auch die vielen Mode-Fans eine Rolle: Jene, die sich die teuren Saisonkarten leisten, verkraften auch ab und zu ein «No Show», weil es ihnen «nicht weh tut». Für «traditionell-puristische» Fussballfans wäre ein solches Verhalten nur in ausserordentlichen Fällen denkbar. Viele «No Shows» gründen aber auch auf den Fakt, dass gewisse Dauerkarten-Besitzer/innen gleich mehrere Saison-Abos besitzen und diese gezielt für Netzwerk-Zwecke einsetzen und somit selektiv zu den Spielen gehen.

    JoW

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