Nimmt die Kleinkriminalität in Basel wieder zu?

    Bevölkerung will mehr Sicherheitsgefühl und kurze Reaktionszeiten bei Requisitionen

    Erneut häufen sich brutale Überfälle mitten in der Stadt. Zuletzt unmittelbar vor dem Aeschenplatz an der St. Jakobstrasse. Tag für Tag sieht man in den Medien beunruhigende Meldungen zu kleinkriminellen Handlungen. Es macht sich – und das ist nicht neu – schon wieder der Eindruck breit, dass man sich in der Stadt Basel nicht mehr sorgenfrei bewegen kann. Und das nicht nur in so genannten «No Go Areas».

    (Bilder: Bildarchiv Kanton Basel Stadt) Die Kantonspolizei Basel-Stadt setze – so wurde auf unsere Nachfrage betont – ihre Einheiten gezielt zum Schutz der Bevölkerung ein und sei dabei sowohl präventiv wie auch repressiv tätig

    Auf den ersten Blick stellt die Kriminalstatistik der Stadt Basel ein ambivalentes Zeugnis aus. Toprak Yerguz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt relativiert jedoch entschieden: «Wenn man von Basel als Stadt mit dem ‹im Verhältnis meisten Zwischenfällen› redet, erlauben wir uns eine Korrektur: Genf ist die Stadt mit den meisten Verstössen nach Strafgesetzbuch. Und dann sei noch erwähnt, dass es je nach Deliktart unterschiedliche Tendenzen gibt, wie man es der Trendentwicklung für das Jahr 2018 entnehmen kann. Diese hat die Staatsanwaltschaft im letzten August kommuniziert.» (siehe www.stawa.bs.ch/nm/2018-kriminalitaet-im-ersten-halbjahr-2018-trendentwicklung-stawa.html)

    Seit Sommer 2017 mehrere Massnahmen und Community Policing
    Massnahmen seien, so Yerguz, seit dem Sommer 2017 intensiviert worden: «Der Regierungsrat hat im Sommer 2017 bei der Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung die Schwerpunkte auf Gewaltdelikte, Einbruch und Menschenhandel gesetzt. Der Kampf gegen die Kriminalität ist immerwährend und muss täglich neu aufgenommen werden. Im Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft nimmt die Kantonspolizei Basel-Stadt jeden Tag diese Herausforderung an und geht der Erfüllung des Auftrags nach, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.» Allgemein formuliert, bedeute dies Folgendes: Die Kantonspolizei Basel-Stadt setze ihre Einheiten gezielt zum Schutz der Bevölkerung ein und sei dabei sowohl präventiv wie auch repressiv tätig. «Mit ihrer Patrouillentätigkeit auf der Strasse sorgt die Polizei für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und für kurze Reaktionszeiten bei Requisitionen. Kommt es also zu einem Einsatz, ist die Kantonspolizei innert kürzester Zeit vor Ort. Damit es gar nicht zu Einsätzen kommt, gehen die Spezialisten der Prävention auf mögliche Problemgruppen zu und wirken auf sie ein», so Yerguz weiter. Der Fahndungsdienst wiederum gibt Beobachtungen an ein Analyseteam weiter, welches die Daten auswertet und für das weitere Vorgehen aufbereitet. Toprak Yerguz präzisiert: Die Kantonspolizei reagiere jeweils rasch auf die neusten Entwicklungen und passe ihr Dispositiv in Anbetracht der laufend aktualisierten Erkenntnisse an. Sehr wichtig sei der enge Kontakt zur Bevölkerung und zu Quartiervereinen, der besonders im Rahmen des Community Policing gepflegt werde.

    (Bild: zVg) Nimmt kein Blatt vor den Mund: Markus Melzl, Ex-Kriminalkommissär und ehemaliger Mediensprecher der Basler Staatsanwaltschaft.

    Ausserdem: «Mit Kampagnen rufen wir der Bevölkerung schwerpunktmässig wichtige Themen in Erinnerung, zum Beispiel das korrekte Verhalten bei eigenen Beobachtungen von verdächtigem Verhalten. Ein Beispiel ist die Kampagne ‹Bei Verdacht Tel. 117 – Gemeinsam gegen Einbrecher›. Und hinter den Kulissen nutzt die Kantonspolizei im administrativen Bereich die neusten technischen Entwicklungen, um bei der Bewältigung der Schreibarbeit Effizienzgewinne zu erzielen und in der Folge auf der Strasse noch präsenter zu sein», so Yerguz weiter.

    Operationelle polizeiliche Schwerpunktaktionen – gezielte Aktionen nur schwer zu planen
    Einer, der sich gut auskennt mit den Herausforderungen der Polizei bezüglich Erzeugen des Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung ist Ex-Kriminalkommissär Markus Melz. Er ist aufgrund seiner jahrelangen Präsenz in den Medien ein Basler «Original». Und er nimmt kein Blatt vor den Mund. Das muss er auch nicht (mehr). Der ehemalige Kriminalkommissär hat fast das ganze Berufsleben bei der Polizei verbracht, davon 16 Jahre als Mediensprecher der Staatsanwaltschaft. Seit 2012 trage er «einen anderen Hut», wie er gerne zu sagen pflegt. Markus Melzl schreibt und referiert heute über jene Themen, die ihn tagtäglich während seiner Karriere beschäftigten. Political Correctness um der Political Correctness wegen sei nicht sein Ding. Und heute erst recht nicht. Dies merkt man in vielen seiner Kommentare. Er schreibt und kommentiert vorbehaltlos und spricht Dinge klar und unverhohlen an, die oft nur hinter vorgehaltener Hand formuliert werden. Speziell wenn es um das heikle Thema der Verbrechensbekämpfung geht: «In der zuletzt veröffentlichten Kriminalstatistik für das Jahr 2017 lag Basel-Stadt an erster Stelle und verzeichnete, im Gegensatz zu vielen anderen Schweizer Städten, einen Kriminalitätszuwachs von vier Prozent. Dies, obwohl gesamthaft die Zahlen für die Schweiz rückgängig waren. Wie die Situation für das vergangene 2018 aussieht, wird wohl erst bei der Veröffentlichung der Kriminalstatistik im März 2019 ersichtlich werden. Wichtig ist, dass die Polizei die Delikte genau analysiert, wobei die Sicherheitspolizei und die Kriminalpolizei eine Kriminalanalysestelle unterhalten, wo alle Straftaten erfasst und entsprechend ausgewertet werden.» Diese Auswertungen sind die Basis für operationelle polizeiliche Schwerpunktaktionen. Die Polizei und vor allem die Uniformpolizei auf der Strasse und Angehörige des Fahndungsdienstes seien, so Melzl, eh sensibilisiert. Da aber solche Raubdelikte wie beispielsweise kürzlich am Aeschenplatz während 24 Stunden und verteilt über das gesamte Kantonsgebiet verübt werden, seien sehr gezielte Aktionen nur schwer zu planen, wobei natürlich die sogenannten Hotspots erkannt sind und auch entsprechend in die Operationen miteinbezogen würden.

    «Jetzt ist es natürlich schon so, dass die Polizei nicht überall sein kann und da braucht es wohl eine vermehrte Sensibilität der Bevölkerung, beziehungsweise jeder einzelnen Person. Die österreichische Polizei zum Beispiel bietet praxisbezogene Workshops an, bei denen aufgezeigt wird, wie man sich vor Straftaten schützen und wie man minimieren könne, Opfer eines Raubüberfalls zu werden.» Die Schweizerische Kriminalprävention veröffentlicht übrigens dazu entsprechende Flyer und Broschüren.

    Mit ihrer Patrouillentätigkeit auf der Strasse sorgt die Polizei für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und für kurze Reaktionszeiten bei Requisitionen.

    «Fokus noch mehr auf die Kriminalitätsbekämpfung setzen…»
    «Vielleicht muss aber die Basler Polizei die Schwerpunkte noch mehr auf die Kriminalitätsbekämpfung setzen, wobei dies aufgrund der Personalsituation nur möglich ist, wenn in anderen Bereichen Abstriche vorgenommen und man es zulässt, dass gewisse Bereiche ausgedünnt werden», gibt Melzl zu bedenken. Er erinnert sich: «Vor vielen Jahren – ich war damals noch junger Kriminalist – wurden wir von Einbrechern sogar auch tagsüber heimgesucht und da wurden spezielle Schwerpunktaktionen durchgeführt, an denen unzählige Polizeiangehörige eingesetzt wurden, die nicht explizit für die Kriminalpolizei oder die Sicherheitspolizei tätig waren. Zur dieser Zeit wurde zum Beispiel die Blaue Zone nicht kontrolliert und auch sonstige verwaltungspolizeiliche und verkehrspolizeiliche Massnahmen ruhten. Dies wäre über eine gewisse Zeitspanne sicher möglich und auch zu verantworten.» Wobei auch hier das richtige Augenmass notwendig sei, damit nicht plötzlich auf einem völlig anderen Gebiet rechtsfreie Räume entstünden. Melzls Fazit: «Letztendlich steht und fällt es mit dem zur Verfügung stehenden Personal und die Polizei kann nicht jederzeit überall sein. Da würde es sich anbieten, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Heute gehen viele Menschen mit Kopfhörer und dem Blick aufs Handy durch die Stadt und schalten dabei zwei wichtige Informations- und somit auch Sinnes-Warnquellen weitgehend aus. Vielleicht wäre mal eine Öffentlichkeitsinformation sinnvoll, bei der Menschen orientiert und sensibilisiert werden, wie jeder für sich selbst das Risiko minimieren kann, Opfer einer Straftat zu werden.» Markus Melzl liegt aber noch ein Detail am herzen: Heute sei jedermann/frau mit dem Handy unterwegs. Wenn man Zeuge eines Raubüberfalls werde, dann wäre es eigentlich angebracht, anstelle eines Selfies mit dem Opfer ein Telefonat an die Polizei zu machen. Dies mit Angaben zum Tatort, den möglichen Verletzungen des Überfallenen, Signalementsangaben und Fluchtrichtung der Täterschaft.

    JoW
    Red. Mitarbeit: Daniele Ciociola

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