Sorge um das Stadtbild und Basels Image?

    Viele Bürger/Innen, aber auch Berufstätige in Basel stören sich an der exponentiell steigenden Anzahl Bettelnden

    Nach wie vor dominieren als Gesprächsstoff in der breiten Bevölkerung der Region die Themen rund um die Covid-Pandemie oder auch die internen Probleme beim FC Basel. In den letzten Wochen jedoch, hat sich die so genannte «Bettler-Problematik» als ein sehr kontrovers und emotional diskutiertes Thema in den Vordergrund geschoben. Kaum ein Smalltalk in der Stadt ohne dass das «Bettler-Problem» in irgend einer Form vorkommt.

    (Bilder: DaC) Hier im DeWette Park vis-a-vis des Bahnhofplatzes versammeln sich die Bettlergruppen um zu nächtigen – tagsüber warten sie über den Park verteilt auf mögliche «Spender».

    Von offizieller Seite – sprich vom Justiz- und Sicherheitsdepartement – wurde zwar die Situation kommentiert, aber die Deutungshoheit haben diverse Expertinnen und Experten im Bereich «Soziales» übernommen. Was sagt hierzu Toprak Yerguz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt?

    Herr Yerguz, seit dem 1.07.2020 ist das Bettlerverbot aufgehoben worden. Wie hat sich die allgemeine Situation diesbezüglich in Basel-Stadt verändert?
    Toprak Yerguz: Die Kantonspolizei Basel-Stadt stellt im Stadtgebiet eine deutliche Zunahme von bettelnden Personen fest, sowohl durch eigene Beobachtungen wie auch durch die grosse Zahl der eingehenden Meldungen aus der Bevölkerung. Wir sind dankbar für Hinweise aus der Bevölkerung, die uns hilfreich sind. Aus den Requisitionen lässt sich schliessen, dass die Anrufenden die Bettler als aufdringlich, bedrängend oder lästig empfinden.

    Wie stark hat dies zugenommen? Welche Zonen, Plätze und Strassen sind in der Basler Innenstadt am meisten betroffen? Gibt es spürbar mehr Meldungen bei der Polizei seit der Aufhebung des Verbots und wie oft muss diese eingreifen?
    Bettler werden mehrheitlich dort festgestellt, wo viele Menschen verkehren, also namentlich in der Innenstadt und entlang des Rheinbords. Selbstverständlich ist die Kantonspolizei aktiv. Da aber seit dem 1. Juli 2020 nur noch das bandenmässige Betteln verboten ist, sind die Anforderungen an die gerichtsverwertbaren Nachweise hoch: Nach einem Anfangsverdacht ist jeder Einzelfall genau zu prüfen, was in der Praxis – etwa mit Blick auf die Aussagebereitschaft der Betroffenen – aufwendig ist. Sie werden sicher verstehen, dass wir aus polizeitaktischen Gründen zu den getroffenen Massnahmen keine detaillierte Auskunft geben können. Die Kantonspolizei hat die Kontrolltätigkeit aber deutlich erhöht und bereits mehrere Vorfälle von möglichem bandenmässigem Betteln an die Staatsanwaltschaft verzeigt.

    Blick auf die Freie Strasse – passives Betteln ist erlaubt – Problematisch wird es, wenn die Bettelnden den Covid-Abstand nicht einhalten und in den aussenbestuhlten Zonen der Restaurantbetriebe ihr Glück versuchen, die Leute bedrängen oder vor den Verkaufsläden potenzielle Kundschaft vergraulen.

    Wie soll ich mich als Privatperson verhalten, wenn ich nach Geld gefragt werde, aber nichts geben will? Vor allem dann, wenn der Bettler sehr nah auf mich zukommt und leichte Aggressionen entstehen? Gibt es eine Möglichkeit, dass ich als Person diese erkenne und wie verhalte ich mich solchen Leuten gegenüber?
    Aufdringliche Bettler können der Polizei gemeldet werden. Häufig reicht schon der Hinweis, dass man die Polizei rufen werde, damit sich diese verziehen.

    Welches Feedback bekommen Sie von den Gastrobetrieben? Wie können diese sich schützen, dass ihre Gäste in Ruhe konsumieren können?
    Die Rückmeldungen von Gastrobetrieben decken sich mit jenen aus anderen Teilen der Bevölkerung: Die Anrufenden empfinden die Bettler als aufdringlich, bedrängend oder lästig. Auch hier gilt: Aufdringliche Bettler können der Polizei gemeldet werden.

    Gibt es spürbare Veränderung bezüglich des Bettelns in Verbindung mit Corona?
    Wir können hier keinen direkten Zusammenhang feststellen.

    Welche Massnahmen ergreift die Stadt Basel in Bezug auf die teilweise aggressiven Bettler? Es wird ständig von Bettlerbanden gesprochen. Wie stark ist Basel von ihnen betroffen? Was unternimmt die Stadt Basel gegen diese Banden und konnten schon erste Erfolge erzielt werden?
    Die Kantonspolizei Basel-Stadt kann grundsätzlich dann tätig werden, wenn sie Anzeichen für Verstösse – zum Beispiel gegen das Übertretungsstrafgesetz, das Ausländer- und Integrationsgesetz oder das Strafgesetzbuch – feststellt. In den letzten vier Wochen wurden rund 90 Bettlerinnen und Bettler einer Kontrolle unterzogen. Die Kantonspolizei hat mehrere Rapporte wegen Verdachts auf bandenmässiges Betteln gemäss Übertretungsstrafgesetz der Staatsanwaltschaft überwiesen.

    Unabhängig von der strafrechtlichen Ebene spricht die Kantonspolizei Basel-Stadt im Verbund mit weiteren Ämtern die Bettler an, um sie auch über die Erwartungen der Bevölkerung zum allgemeinen Verhalten im öffentlichen Raum der Stadt Basel zu informieren. Sie macht dabei auch klar, dass Verstösse gegen die öffentliche Ordnung Konsequenzen haben. Das erste solche Treffen fand Anfang August beim bekannten Hotspot am Wettsteinplatz/Theodorskirchplatz statt. Mit zwei Übersetzern haben die Behördenvertreter über die geltenden Gesetze, aber auch die Verhaltensregeln im öffentlichen Raum der Stadt Basel informiert. So wurde auf die zwingende Benutzung von WCs für die Notdurft und dabei auf die kostenlosen öffentlichen Toiletten in unmittelbarer Nähe hingewiesen. Auch für die Wäsche und Körperpflege wurde auf ein Angebot als Alternative zum dortigen Brunnen hingewiesen. Bezüglich Betteln wurde klar festgehalten, dass bandenmässiges Betteln strafbar und aufdringliches Verhalten ebenfalls problematisch ist. Das Community Policing sucht seither regelmässig die Bettlergruppe beim Wettsteinplatz/Theodorskirchplatz auf und hält den Kontakt aufrecht.

    JoW
    Interviews: Daniele Ciociola


    «Besetzung» öffentlichen Raumes?

    Es haben sich in Basel diverse Hotspots entwickelt, wo Bettlergruppen ihr Lager aufgeschlagen haben oder übernachten. Dies sorgt für Ärger, denn beispielsweise am Theodorskirchplatz oder im DeWette Park möchte man nicht unbedingt im Minutentakt angesprochen werden. Ausserdem sind diese öffentlichen Plätze ein Ort, wo gerne «gechillt» wird und man sich in der Herbstsonne Ruhe gönnt. Es sind teilweise auch Spielplätze betroffen und es entstehen oft Müllberge. Wir haben dazu Frau Nicole Ryf, Co-Leiterin Kommunikation beim Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt befragt:

    Viele Bürgerinnen und Bürger verweilen wegen der etwas speziellen Atmosphäre mit den Bettlern nicht mehr auf öffentlichen Plätzen und Anlagen wie beispielsweise im DeWette Platz. Auch meiden viele nachts diese Orte und machen einen Umweg. Was wird gegen diese Art der «Verdrängung aus dem öffentlichen Raum» unternommen? Wird den Bettlergruppen allenfalls ein anderer Platz zugeordnet?

    Nicole Ryf: Diese Übernachtungsform in diesem Ausmass ist für den Kanton ein neues Phänomen. Aktuell sind wir daran, die rechtliche Situation zu klären und auf dieser Basis anschliessend entsprechende Massnahmen abzuleiten. Die Stadtgärtnerei reinigt die Grünanlagen jeweils morgens und schaut, dass die Abfälle, die nach den Übernachtungen zurückbleiben, entsorgt werden. Wir wurden in den vergangenen Tagen mehrfach gefragt, ob die Gruppen auf dem Fahrendenplatz unterkommen könnten. Dies ist aber nicht möglich. Der Fahrendenplatz ist für Jenische, Sinti und Roma mit fahrender Lebensweise konzipiert, die mit Wohnwagengespann oder Wohnmobil unterwegs sind. Eine andere Form der Nutzung würde dem Auftrag des Bundes in Bezug auf die Fahrendenplätze nicht gerecht.

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