Wie stark hat die Corona-Pandemie die Autobranche in Mitleidenschaft genommen? Heinz Grüninger, Geschäftsführer der Emil Frey Basel-Dreispitz, blickt auf unsichere Zeiten zurück. Und betont, dass sein vorsichtig optimistischer Blick in die Zukunft ohne das hervorragende Team rund um ihn nicht möglich wäre.
Heinz Grüninger, wie stark hat der durch Corona bedingte Lockdown der Automobilbranche geschadet?
Bis im Juni nahm die Anschaffung von Neuwagen in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr um 35% ab. Konkret heisst das: Die Schweiz hat dieses Jahr bis jetzt 103’000 Neuwagen verkauft. Im Vorjahr standen wir um dieselbe Zeit bei 157’000 Fahrzeugen. Während die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im Vergleich zu 2019 rückläufig war, nahm der Absatz von Hybrid- und Plug in-Hybrid-Fahrzeugen zu. Etwa gleich geblieben wie im Vorjahr ist der Absatz von Occasionsfahrzeugen.
Wie haben sie als Privat- und Geschäftsmann die Corona-Krise erlebt, und welche Erkenntnisse haben Sie für sich persönlich daraus gewonnen?
Als Privatmann habe ich mich vor allem um mein persönliches Umfeld gekümmert und bin froh, dass wir bisher von Corona verschont blieben. Auch weil wir mehrere Familienmitglieder haben, die wegen ihres Alters zur Hochrisikogruppe gehören. Geschäftlich konzentrierten wir uns voll und ganz auf den 15. Juni 2020, an dem wir unsere Räume wieder eröffnen und dem Publikum zugänglich machen konnten. Deshalb gab es bei uns im Juni mehr Neuwagenverkäufe als in Juni 2019.
Wie stark haben die Sanktionen die Emil Frey AG schweizweit betroffen? Mussten Sie Kurzarbeit einführen oder gar Angestellte entlassen?
Speziell im Tessin waren die Betriebe monatelang geschlossen und durften maximal Notfälle bearbeiten. In der restlichen Schweiz gab es kein einheitliches Bild. Mehrheitlich aber musste der Verkauf geschlossen werden; die Werkstätten hingegen waren praktisch zu 100% geöffnet. Unser Betrieb sowie alle Filialbetriebe der Emil Frey stellten sich sehr schnell und flexibel auf Online-Verkauf um und standen via digitale Kanäle immer mit der Kundschaft in Verbindung. Je nach Marke fällt die digitale Akzeptanz jedoch sehr unterschiedlich aus. Der Autoverkauf ist immer noch ein extrem zwischenmenschliches Geschäft. Nach der Wiedereröffnung am 15. Juni 2020 füllten sich unsere Räume schnell wieder mit Kundschaft und die Emotionen kamen zurück.
Welche Spätfolgen wird die Corona-Pandemie auf die Autobranche haben?
Neben den durch Corona bedingten finanziellen Einbussen, müssen wir auch die CO2-Vorschriften erfüllen. Ab 2020 gilt für Personenwagen ein Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer anstelle von 130 Gramm CO2 pro Kilometer im Vorjahr. Um hierzulande solche Werte überhaupt zu erreichen, müssten viel mehr Elektrofahrzeuge auf der Strasse fahren. Doch wegen Corona haben wir Lieferengpässe. Teilweise können wir Elektrofahrzeuge nicht ausliefern, da dringend benötigte Bauteile nicht erhältlich sind. Wir werden deshalb vermutlich nicht in der Lage sein, die CO2-Vorgaben dieses Jahr zu erfüllen. Daraus resultieren Millionen Franken an Strafsteuern, die schlussendlich der Konsument zahlt. Für die Automobilbranche eine weitere Erschwernis. Meiner Meinung nach müsste der Gesetzgeber uns in dieser Notsituation entgegenkommen und punkto CO2-Ziele flexibler agieren. In der Schweiz haben immerhin 220’000 Menschen ihre Arbeitsplätze in der Automobilbranche. Sie generiert 94 Milliarden Franken Umsatz und macht 13 % des Inlandbruttoproduktes aus.
Wie laufen bei der Emil Frey AG zurzeit Probefahrten ab? Herrscht Maskenpflicht?
Ja, bei uns herrscht Maskenpflicht. Ansonsten laufen die Probefahrten ganz normal ab. Wir halten uns streng an das Schutzkonzept, das der Autogewerbeverband vorgibt. Experten machen interne Audits, damit immer genügend Schutzmasken und Desinfektionsmittel vorhanden sind. Jedes Auto wird desinfiziert bevor es rausgeht. Und wenn ein Kunde es Probegefahren hat, wird es wieder desinfiziert. Ohne Ausnahme.
Was wird nie mehr so sein, wie es vor Corona war?
Es wird wie bei jeder schwierigen Situation Gewinner und Verlierer geben. Wir setzen alles daran, dass wir zu den Gewinnern gehören. Durch die Krise ist schweizweit eine Transformation in allen Branchen im Gang. Langfristige Planung wird schwierig. Stattdessen ist zunehmend schnelles und flexibles Handeln gefragt. Durch Corona sind ganze Lieferketten unterbrochen worden. Früher wurde alle Bauteile, die wir benötigten, immer just in time angeliefert. Heute stellt sich in unseren Werkstätten zunehmend die Frage, ob es genug Ersatzteile hat. Sie werden von den Herstellern rationiert. Das erfordert eine straffere Planung unserer Vorräte als bisher.
Was, wenn die Krise weiter anhält?
Wirtschaftlich ist die Lage überall angespannt. Wir müssen deshalb extrem vorsichtig agieren. Wir bestellen auch nicht mehr so viele Fahrzeuge auf Vorrat, wie das vor Corona der Fall war. Deshalb können wir in unseren Showrooms nicht mehr sämtliche Fahrzeugtypen in allen Farben und mit jedem Ausbau zeigen. Kurzum: Auch wir müssen sparen und auf jede neue Situation möglichst optimal reagieren.
Gibt es durch Corona im Privatfahrzeugbetrieb auch Vorteile gegenüber den öV?
Da möchte ich unseren VR-Präsident Walter Frey zitieren. Er sagte im Juli: «Der Mensch steht im Mittelpunkt. Das Auto ist die Mobilität der Gesellschaft. Und schützt den Fahrer. Wir sichern diese Mobilität und darauf können wir stolz sein.» Diese Meinung kann ich voll und ganz unterstreichen.
Wie hat sich das Teamwork unter den Angestellten der Emil Frey Basel nach der Corona-Krise verändert?
All unsere Mitarbeitenden haben extrem gut mitgezogen in der ganzen Corona-Zeit. Wir mussten innert Stundenfrist Pandemiepläne aufstellen. Die ganze Mannschaft zeigt sich bis heute extrem flexibel und einsatzbereit. Es ist eine schwere Zeit. Aber wir ziehen alle am gleichen Strick und kämpfen miteinander für den Erhalt der Automobilbranche – den Blick immer nach vorwärts gerichtet.
Ursula Burgherr